Sonntag, 2. Februar 2014

Für Tibetische Meister Dolmetschen – ein Beruf wie jeder Andere?



Für Tibetische Meister Dolmetschen - Ist das ein Beruf wie jeder Andere?

 

Dolmetschen für tibetische Meister ein "Beruf"?

Manche  mag in diesem Zusammenhang vielleicht die Verwendung des Begriffes „Beruf“ irritieren. Eng mit tibetischen Meistern zusammenzuarbeiten ist kein Job, werden sie sagen. „Es ist ein Segen, Berufung. Wie kann man das überhaupt mit einer gewöhnlichen, profanen Arbeit oder einem Beruf vergleichen?“ Das ist durchaus richtig. Natürlich ist es sehr inspirierend, viel Zeit mit buddhistischen Meistern zu verbringen. Es ist fantastisch, ihnen dabei helfen zu können, ihre Lehren zu verbreiten.

Andererseits, für diejenigen von uns, die das regelmäßig tun, weist diese Tätigkeit einige Merkmale eines normalen Berufs auf. Für einen tibetischen Meister zu dolmetschen geht zum Beispiel einher mit einer Menge von Pflichten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten.


Dolmetschen ist zeitintensiv


Fast wie ein gewöhnlicher Beruf, ist es auch sehr zeitintensiv. Wenn man 15 bis 20 Wochenendkurse pro Jahr dolmetscht, kommt man in etwa auf 40 volle Dolmetschtage pro Jahr. Entsprechend der Angaben auf der Website des AIIC entspricht dies in etwa 50 % der Jahresarbeitszeit eines vollbeschäftigten Konferenzdolmetschers. 


Dolmetschen benötigt Vorbereitung


Neben der eigentlichen Dolmetschleistung, muss sich ein Tibetisch-Dolmetscher umfassend auf seinen Einsatz vorbereiten. Wurde man gebeten, bei einem Dharma-Kurs zu dolmetschen, ist man dann oft auch in die Vorbereitung des Kurses involviert. Es gibt eine ganze Menge zu tun. Lebt man in dem buddhistischen Zentrum, welches die Veranstaltung durchführt, ist man natürlich sowieso in die allgemeinen Vorbereitungen involviert. Doch selbst wenn nicht, wird man bei der Kommunikation zwischen dem tibetischen Gelehrten und der buddhistischen Gemeinschaft behilflich sein müssen. Das genaue Thema der Veranstaltung will besprochen, ein Titel gefunden und der Inhalt bzw. Ablauf festgelegt werden.

Idealerweise bereitet man sich persönlich intensiv auf einen Dolmetscheinsatz vor. Tibetische Lehrer schöpfen aus einem großen Repertoire mit einer bunten Palette von Themen. Jeder Bereich hat dabei seine eigene Terminologie, die es zu erlernen, zu wiederholen oder zu vertiefen gilt. Man denke nur an Seine H.H. den Dalai Lama. Er spricht oft über westliche Wissenschaft und bedient sich dabei entsprechender tibetischer Fachausdrücke. Meist handelt es sich dabei um Wortneuschöpfungen, die auch der Mehrheit der Tibeter nicht geläufig sind. Man kann es sich einfach nicht leisten, unvorbereitet bei einem Kurs zu erscheinen ohne auch nur eine ungefähre Ahnung von dem Thema zu haben.

Außerdem gibt es oft keine (oder keine gute) deutsche bzw. nur eine englische Fassung des benötigten Textes und der Dolmetscher wird gebeten eine deutsche Übersetzung für die Teilnehmer vorzubereiten. Abhängig von der Länge des Textes, bedeutet dies einen enormen zusätzlichen Zeitaufwand. Das Übersetzungsprojekt 84000-Translating the Words of the Buddha hat errechnet, dass ein durchschnittlicher Übersetzer 12,5 Stunden für eine tibetische Textseite (pecha) benötigt. (Siehe hier) 

Leute denken oft, dass ein Dolmetscher, der einmal mit einem bestimmten tibetischen Meister gearbeitet hat, keine Schwierigkeiten haben wir auch für alle anderen tibetischen Lamas zu dolmetschen. Doch die tibetische Sprache ist sehr heterogen. Es gibt unterschiedlichste Dialekte. Einige davon sind auch für andere Tibeter nur äußerst schwer zu verstehen. Wenn man noch nie mit einem bestimmten Lehrer zusammengearbeitet hat, ist es daher ratsam, verfügbare Audio-Aufzeichnungen anzuhören, um sich an dessen Sprache zu gewöhnen. Oft arbeiten Dolmetscher daher längerfristig mit bestimmten tibetischen Gelehrten zusammen.



Dolmetschen vor Ort

Photo: www.zentrum-jaegerndorf.de
Menschen erwarten mit gutem Recht, dass der Dolmetscher pünktlich erscheint. Oft bittet man ihn sogar, ein oder zwei Tage früher dort zu sein. Die Teilnehmer eines Kurses möchten, dass alles reibungslos vonstatten geht. Sobald sie dort sind, müssen sie daher auf den Punkt richtig funktionieren. Die Zuhörer verlassen sich auf Sie. Haben sie Lampenfieber oder Angst frei vor anderen zu sprechen, dann ist das Dolmetschen für tibetische Meister nichts für sie. Die Unterweisungen des Meisters stehen im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit – und ihre Übersetzung ebenso. Sollte der Lehrer drei Stunden lang ohne Pause reden, werden sie ebenfalls drei Stunden durchgehend dolmetschen. Auch wenn viele Leute während langer Unterrichtsstunden gerne ein Nickerchen machen, sie können das nicht. Sie müssen beständig aufmerksam sein.



Unterweisungen ohne Ende


Wenn eine fast endlose Unterweisung schließlich doch einmal endet, ist jeder erschöpft und freut sich auf die wohlverdiente Pause - der Dolmetscher nicht unbedingt. Pausen sind eine willkommene Zeit für Teilnehmer, um sich mit dem Lehrer auszutauschen. Dabei geht es manchmal um die Unterweisungen, die individuelle Praxis, private Probleme oder aber ganz andere Dinge. Diese Form eines informellen Dharma-Gespräches setzt sich dann auch während dem Essen weiter fort. Während der Dolmetscher versucht, etwas zu sich zu nehmen, wird doch weiterhin erwartet, dass er das Tischgespräch dolmetscht.

Die meisten Lamas sind sehr geduldig und gehen den ganzen Tag lang auf alles ein, was an sie herangetragen wird. Sie zögern dabei nicht, über ihre individuellen körperlichen Leistungsgrenzen hinauszugehen. Zwar ist dies sicherlich bereits anstrengend genug für den Lama, doch für den Dolmetscher ist es noch weitaus anstrengender. Während der Lama sich entspannen kann sobald der Dolmetscher spricht, gibt es keine derartigen Verschnaufpausen für den Dolmetscher.



Arbeitszeit professioneller Dolmetscher


Dolmetscher, die für Firmen arbeiten sind eigentlich in einer viel bequemeren Position als Dharma-Dolmetscher. Engagiert man einen freiberuflichen Dolmetscher in Europa, wird der Vertrag wohl eine tägliche Arbeitsbelastung von maximal 6-7 Stunden aufweisen. Persönlich kann ich mich kaum daran erinnern, einmal weniger als 7 Stunden pro Tag bei einem buddhistischen Kurs gedolmetscht zu haben. Die Realität für Dharma-Dolmetscher liegt wohl irgendwo zwischen 8 bis 10 Stunden. Mit vielen Meistern kann es aber auch durchaus ein bisschen mehr sein. Natürlich kann man bei einem Tibetisch-Dolmetscher davon ausgehen, dass er ein starkes Interesse am Buddhismus hat. Auch wenn es sich gelegentlich wie harte Arbeit anfühlt, man tut es dennoch sehr gerne.


Dolmetschen vs.Übersetzen


Viele Menschen glauben, dass Dolmetschen und Übersetzen das Gleiche sind. Einige Dolmetscher sind in der Tat auch ebenso als Übersetzer tätig. Die beiden Aktivitäten unterscheiden sich jedoch gewaltig. Sie verlangen unterschiedliche Fertigkeiten und erfordern eine individuelle Ausbildung.

Während ein Übersetzer einen Satz zwei- oder mehrmals lesen kann, muss ein Dolmetscher fähig sein, ihn auf der Stelle richtig aufzufassen. Er oder sie muss in der Lage sein, allem was gesagt wird aufmerksam zuzuhören, es geistig zu verarbeiten, das Gesagte zu strukturieren, und die richtigen Worte zu finden, um es auszudrücken. Das alles natürlich ohne Wörterbuch. Es kommt dabei auf sekundenschnelle Entscheidungen an. Ein guter Dolmetscher muss die Intention des Sprechers richtig erfassen, um seine Botschaft angemessen vermitteln zu können. Dies erfordert eine Menge Erfahrung und Ausbildung.

Um es auf den Punkt zu bringen: Dolmetschen ist eine mündliche Echtzeit-Übersetzung, welche die Kommunikation zwischen zwei Gruppen ermöglicht, die nicht die gleiche Sprache sprechen. Im Fall des Dolmetschens von tibetisch-buddhistischen Vorträgen, beinhaltet es auch eine besondere Leistung im Bereich kultureller Übersetzung. Das heißt, der Dolmetscher muss hier zwischen zwei sehr unterschiedlichen Kulturen vermitteln.




Sind Dharma-Dolmetscher Profis? Was ist ihre Arbeit eigentlich wert?

Auf diese und weitere Fragen werde ich in Kürze in einem zweiten Teil etwas ausführlicher eingehen.





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