Für Tibetische Meister Dolmetschen - Ist das ein Beruf wie jeder Andere?
Dolmetschen für tibetische Meister ein "Beruf"?
Manche mag in diesem Zusammenhang
vielleicht die Verwendung des Begriffes „Beruf“ irritieren. Eng mit tibetischen Meistern zusammenzuarbeiten
ist kein Job, werden sie sagen. „Es ist ein Segen, Berufung. Wie kann man das
überhaupt mit einer gewöhnlichen, profanen Arbeit oder einem Beruf
vergleichen?“ Das ist durchaus richtig. Natürlich ist es sehr inspirierend, viel
Zeit mit buddhistischen Meistern zu verbringen. Es ist fantastisch, ihnen dabei
helfen zu können, ihre Lehren zu verbreiten.
Andererseits, für diejenigen von uns, die das regelmäßig tun, weist diese
Tätigkeit einige Merkmale eines normalen Berufs auf. Für einen tibetischen
Meister zu dolmetschen geht zum Beispiel einher mit einer Menge von Pflichten,
Aufgaben und Verantwortlichkeiten.
Dolmetschen ist zeitintensiv
Fast wie ein gewöhnlicher Beruf, ist es auch sehr zeitintensiv. Wenn man 15 bis 20 Wochenendkurse pro Jahr dolmetscht, kommt man in etwa auf 40 volle Dolmetschtage pro Jahr. Entsprechend der Angaben auf der Website des AIIC entspricht dies in etwa 50 % der Jahresarbeitszeit eines vollbeschäftigten Konferenzdolmetschers.
Dolmetschen benötigt Vorbereitung
Neben der eigentlichen Dolmetschleistung, muss sich ein Tibetisch-Dolmetscher
umfassend auf seinen Einsatz vorbereiten. Wurde man gebeten, bei einem Dharma-Kurs
zu dolmetschen, ist man dann oft auch in die Vorbereitung des Kurses
involviert. Es gibt eine ganze Menge zu tun. Lebt man in dem buddhistischen
Zentrum, welches die Veranstaltung durchführt, ist man natürlich sowieso in die
allgemeinen Vorbereitungen involviert. Doch selbst wenn nicht, wird man bei der
Kommunikation zwischen dem tibetischen Gelehrten und der buddhistischen
Gemeinschaft behilflich sein müssen. Das genaue Thema der Veranstaltung will besprochen,
ein Titel gefunden und der Inhalt bzw. Ablauf festgelegt werden.
Idealerweise bereitet man sich persönlich intensiv auf einen Dolmetscheinsatz vor. Tibetische Lehrer schöpfen aus einem großen Repertoire mit einer bunten Palette von Themen. Jeder Bereich hat dabei seine eigene Terminologie, die es zu erlernen, zu wiederholen oder zu vertiefen gilt. Man denke nur an Seine H.H. den Dalai Lama. Er spricht oft über westliche Wissenschaft und bedient sich dabei entsprechender tibetischer Fachausdrücke. Meist handelt es sich dabei um Wortneuschöpfungen, die auch der Mehrheit der Tibeter nicht geläufig sind. Man kann es sich einfach nicht leisten, unvorbereitet bei einem Kurs zu erscheinen ohne auch nur eine ungefähre Ahnung von dem Thema zu haben.
Außerdem gibt es oft keine (oder keine gute) deutsche bzw. nur eine
englische Fassung des benötigten Textes und der Dolmetscher wird gebeten eine
deutsche Übersetzung für die Teilnehmer vorzubereiten. Abhängig von der Länge
des Textes, bedeutet dies einen enormen zusätzlichen Zeitaufwand. Das
Übersetzungsprojekt 84000-Translating the Words of the Buddha hat
errechnet, dass ein durchschnittlicher Übersetzer 12,5 Stunden für eine
tibetische Textseite (pecha) benötigt. (Siehe hier)
Leute denken oft, dass ein Dolmetscher, der einmal mit einem bestimmten
tibetischen Meister gearbeitet hat, keine Schwierigkeiten haben wir auch für
alle anderen tibetischen Lamas zu dolmetschen. Doch die tibetische Sprache ist sehr
heterogen. Es gibt unterschiedlichste Dialekte. Einige davon sind auch für andere
Tibeter nur äußerst schwer zu verstehen. Wenn man noch nie mit einem bestimmten
Lehrer zusammengearbeitet hat, ist es daher ratsam, verfügbare Audio-Aufzeichnungen
anzuhören, um sich an dessen Sprache zu gewöhnen. Oft arbeiten Dolmetscher
daher längerfristig mit bestimmten tibetischen Gelehrten zusammen.
Dolmetschen vor Ort
Photo: www.zentrum-jaegerndorf.de |
Unterweisungen ohne Ende
Wenn eine fast endlose Unterweisung schließlich doch einmal endet, ist jeder erschöpft
und freut sich auf die wohlverdiente Pause - der Dolmetscher nicht unbedingt. Pausen
sind eine willkommene Zeit für Teilnehmer, um sich mit dem Lehrer
auszutauschen. Dabei geht es manchmal um die Unterweisungen, die individuelle
Praxis, private Probleme oder aber ganz andere Dinge. Diese Form eines
informellen Dharma-Gespräches setzt sich dann auch während dem Essen weiter
fort. Während der Dolmetscher versucht, etwas zu sich zu nehmen, wird doch
weiterhin erwartet, dass er das Tischgespräch dolmetscht.
Die meisten Lamas sind sehr geduldig und gehen den ganzen Tag lang auf alles ein, was an sie herangetragen wird. Sie zögern dabei nicht, über ihre individuellen körperlichen Leistungsgrenzen hinauszugehen. Zwar ist dies sicherlich bereits anstrengend genug für den Lama, doch für den Dolmetscher ist es noch weitaus anstrengender. Während der Lama sich entspannen kann sobald der Dolmetscher spricht, gibt es keine derartigen Verschnaufpausen für den Dolmetscher.
Arbeitszeit professioneller Dolmetscher
Dolmetscher, die für Firmen arbeiten sind eigentlich in einer viel bequemeren
Position als Dharma-Dolmetscher. Engagiert man einen freiberuflichen Dolmetscher
in Europa, wird der Vertrag wohl eine tägliche Arbeitsbelastung von maximal 6-7
Stunden aufweisen. Persönlich kann ich mich kaum daran erinnern, einmal weniger
als 7 Stunden pro Tag bei einem buddhistischen Kurs gedolmetscht zu haben. Die Realität
für Dharma-Dolmetscher liegt wohl irgendwo zwischen 8 bis 10 Stunden. Mit
vielen Meistern kann es aber auch durchaus ein bisschen mehr sein. Natürlich
kann man bei einem Tibetisch-Dolmetscher davon ausgehen, dass er ein starkes
Interesse am Buddhismus hat. Auch wenn es sich gelegentlich wie harte Arbeit anfühlt, man tut es dennoch sehr gerne.
Dolmetschen vs.Übersetzen
Viele Menschen glauben, dass Dolmetschen und Übersetzen das Gleiche sind.
Einige Dolmetscher sind in der Tat auch ebenso als Übersetzer tätig. Die beiden
Aktivitäten unterscheiden sich jedoch gewaltig. Sie verlangen unterschiedliche
Fertigkeiten und erfordern eine individuelle Ausbildung.
Während ein Übersetzer einen Satz zwei- oder mehrmals lesen kann, muss ein Dolmetscher fähig sein, ihn auf der Stelle richtig aufzufassen. Er oder sie muss in der Lage sein, allem was gesagt wird aufmerksam zuzuhören, es geistig zu verarbeiten, das Gesagte zu strukturieren, und die richtigen Worte zu finden, um es auszudrücken. Das alles natürlich ohne Wörterbuch. Es kommt dabei auf sekundenschnelle Entscheidungen an. Ein guter Dolmetscher muss die Intention des Sprechers richtig erfassen, um seine Botschaft angemessen vermitteln zu können. Dies erfordert eine Menge Erfahrung und Ausbildung.
Um es auf den Punkt zu bringen: Dolmetschen ist eine mündliche
Echtzeit-Übersetzung, welche die Kommunikation zwischen zwei Gruppen ermöglicht,
die nicht die gleiche Sprache sprechen. Im Fall des Dolmetschens von
tibetisch-buddhistischen Vorträgen, beinhaltet es auch eine besondere Leistung
im Bereich kultureller Übersetzung. Das heißt, der Dolmetscher muss hier zwischen
zwei sehr unterschiedlichen Kulturen vermitteln.
Sind Dharma-Dolmetscher Profis? Was ist ihre Arbeit eigentlich wert?
Auf diese und weitere Fragen werde ich in Kürze in einem zweiten Teil etwas ausführlicher eingehen.
Sind Dharma-Dolmetscher Profis? Was ist ihre Arbeit eigentlich wert?
Auf diese und weitere Fragen werde ich in Kürze in einem zweiten Teil etwas ausführlicher eingehen.
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